I am the ocean, I am the sea - there's a world inside of me!



Sonntag, 3. Februar 19

Die letzten Wochen sitze ich nur noch auf meinem Schreibtischstuhl und versuche zu lernen. Ich versuche es. Erst funktionierte ewig (Wochen) die Internetseite nicht, auf der wir wichtige Fälle bearbeiten sollten. Dazu bin ich unkonzentriert, weil ich dauernd nur noch Kopfschmerzen habe und müde bin, mich elend fühle. Ich bleibe bis 4-5 Uhr nachts wach, will um 8 Uhr aufstehen, aber mein Wecker klingelt alle 5min bis ich dann um 11 Uhr mich aus dem Bett quäle.

Mein Freund sitzt in seiner Wohnung in einer anderen Stadt fest um zu lernen, weil er noch mehr Klausuren hat, als ich dieses Semester. Und ich sitze alleine in meinem Zimmer, habe keine Zeit mich mit meinem besten Freund zum Schwimmen zu treffen und vermisse meinen guten Chatfreund (F.) von früher. 6 Jahre hatten wir fast tgl. Kontakt, geskyped, telefoniert und geschrieben und ich hab mich wieder danach gesehnt mit jemandem online Kontakt halten zu können, den ich gut leiden kann, und so jemanden immer bei mir hab, auch wenn ich alleine in meinem Zimmer sitze.

Heutzutage sind die Chatrooms aber ganz anders als früher. Man wird nur überschüttet mit Nachrichten von Perversen. Ab und zu findet man einen netten Menschen mit dem man sich normal unterhalten kann, aber irgendwie schreibt man dann doch kein zweites Mal mehr und wenn doch, hat man sich nichts mehr zu sagen und irgendwann antwortet einer nicht mehr.

Es nervt mich, weil ich eigentlich lernen müsste, aber dieses offene Chatfenster neben an lenkt mich ab, aber schließen kann ich es nicht, weil ich mich dann wieder so einsam fühle und erst recht nicht lernen kann.

Eigentlich habe ich keine Zeit für diesen Eintrag. Ich muss dringend lernen, weil ich nächste Woche 2 Klausuren habe und momentan beim Üben mit alten Klausuren komme ich auf 20-50%, was nicht zum Bestehen reicht.

Ich habe eine 200seitige Zusammenfassung geschrieben für ein Fach, und damit noch nicht mal angefangen zu lernen. Ich möchte mich nur noch verkriechen und heulen.

Vor gestern Abend hab ich im Chat tatsächlich jemanden kennengelernt, der super interessant war. Irgendwie war er aufdringlich, aber dennoch sympathisch. Nach einer Stunde haben wir mal telefoniert und irgendwie hat er mir ständig Dinge über mich erzählt, die wahr waren und das war ein bisschen unheimlich, als würde er mich schon ewig kennen. Er durchschaute jeden einzelnen Satz. Analysierte jedes Wort und mit -allem- lag er richtig. Ich hatte das Gefühl, dass er vielleicht mein neuer Chatfreund werden könnte, wie damals mit F.. Ich dachte schon, jetzt müsste ich nie wieder in den blöden Chat, weil ich ihn ja jetzt gefunden hab und ihm jederzeit im Messenger schreiben konnte. Ich fühlte mich einfach wohl, er hätte mir stundenlang Dinge erzählen können und ich hätte ihm liebend gern einfach nur zugehört. Er meinte dann, dass er an dem Tag nicht mehr online kommt, wenn wir auflegen und ich mich nicht wundern soll. Eigentlich hatten wir ausgemacht, dass wir wieder mal schreiben. Es wurde immer später und irgendwann nach 4 Uhr endete das Gespräch dann doch etwas unangenehmer als ursprünglich befürchtet. Ich hab ihm dann noch eine Nachricht (nicht im Chat, sondern) im Messenger hinterlassen und wusste ja, dass er sie an dem Morgen nicht mehr sehen würde.

Gestern habe ich irgendwie dauernd darauf gewartet, dass er endlich online kommt und meine Nachricht sieht und wir wieder schreiben. Aber er kam nicht, bis jetzt nicht. Okay, es war vor 2 Tagen... im Prinzip hatten wir gestern früh um 4 Uhr noch telefoniert. Aber dadurch, dass das Gespräch so blöd endete, hab ich das Gefühl er wird sich nicht mehr melden. Und das fühlt sich an wie ein Freundschafts-Korb.

Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht. Aber ich bin innerlich nicht nur gehyped, wenn ich frisch verliebt bin, sondern auch bei neuen Freundschaften. Ich habe kaum Freunde, eigentlich nur meinen besten Freund und ich hätte gerne noch die ein oder andere bessere Freundschaft, die über Bekanntschaft hinaus geht. Und immer wenn ich denke, dass ich jemanden sympathisch finde, mal ich mir im Inneren schon aus wie die Freundschaft wird und freu mich total aufs nächste Treffen etc. und meist kommt es dann nicht so. Und jedes Mal fühlt es sich ähnlich an, wie wenn man einen Korb kriegt. Total bescheuert.

Wie blöd bin ich eigentlich?
Silver! Raus aus dem Chat, guck nicht dauernd in den Messenger! Arsch hoch und lernen! Klausuren bestehen! Und wenn er mit dir schreiben will, wird er sich schon melden!


Montag, 7. Januar 19

Frohes neues Jahr!

Weihnachten habe ich zum Glück ganz gut überstanden und auch den Kurzurlaub in Madrid. Wir sind jeden Tag über 10km gelaufen bis die Füße wehgetan haben, am 1. Tag sogar 18km. Aber da in Madrid alle Sehenswürdigkeit so nah zusammen liegen, konnten wir sogar noch einen Tag in Toledo verbringen. Wunderschön.

Zuhause hat mich gleich der triste Alltag wieder eingeholt. Die Klausurenphase hat wieder begonnen, bzw. die Lernphase vor der Klausurenphase. Außerdem müssen mein Freund und ich unseren Skandinavienurlaub noch buchen. Diese Semesterferien haben wir unsere letzte Chance auf einen Urlaub für die nächsten Jahre. Ich habe im Oktober mein Examen und wenn ich anschließend im praktischen Jahr bin, hat mein Freund sein Examen und wenn ich arbeite, dann hat er sein praktisches Jahr. Da werden wir keinen Zeitraum mehr so leicht finden, wenn wir gemeinsam verreisen wollen.
Habt ihr Neujahrsvorsätze? Ich habe immer welche und bemühe mich meist wirklich sie einzuhalten. Ich habe mal wieder viel zu viele, aber diesmal bin ich auch wirklich motiviert.


Samstag, 22. Dezember 18

Weihnachtsstress pur.
Ich habe alle Geschenke besorgt, die ich verschenke, die meine Mama, mein Papa, meine Oma und meine Tante verschenken und weil ich so ein netter Mensch bin, habe ich all diese Geschenke auch noch verpackt, und zwar über 80 Stück. Das sind zwar einige weniger als letztes Jahr, aber ich habe dennoch 11 Stunden dafür gebraucht.
Bis Montagabend musste ich damit fertig sein, weil ich Dienstag früh einen Friseurtermin hatte und den restlichen Tag meine Haare blau nachgefärbt habe. Am Mittwoch hatte ich mein Rechtsmedizin Praktikum und durfte mit 7 weiteren Studenten bei einer Sektion dabei sein.
Gestern haben mein Freund und ich bei uns schon Weihnachten gefeiert. Erst haben wir unseren Baum geschmückt, silber und gold dieses Jahr, relativ schlicht mit Engelsflügeln und Schneebällen, und im Anschluss gab es Bescherung. Dann waren wir mit seiner Schwester im Kino und zuhause bei ihnen gab es dann nochmal Bescherung bevor sie alle heute früh in Urlaub gefahren sind.

 

Dieses Jahr freue ich mich wirklich gar nicht auf Weihnachten.
Sonst gab es immer an Heiligabend Karpfen bei meiner Tante und wir aßen alle gemeinsam (meine Tante, mein Onkel, mein Cousin, meine Oma, meine Mama und ich), aber dieses Jahr ist mein Onkel ausgezogen, weil meine krebskranke Tante ihn aus dem Haus geworfen hat und sie lädt ihn auch nicht zu Weihnachten ein. Meine Oma ist fertig mit den Nerven und erträgt die Situation nicht mehr. Am einem der anderen Weihnachtsfeiertage treffe ich mich meist mit meinen Schwestern und meinem Vater. Aber meine Mutter ist dieses Jahr nicht eingeladen, weil die Freundin von meinem Vater so eifersüchtig ist. Jeder sonst will sie dabei haben, nur sie nicht und nur weil sie sich für 2 Stunden nicht einfach beherrschen kann, gewinnt sie.

Und jetzt war ich auch noch so blöd und habe ausversehen alle Fotos von gestern gelöscht. Ich möchte nur noch weinen und dass Weihnachten möglichst schnell vorbei ist.

 


Sonntag, 9. Dezember 18

Meine Rehabilitations-Klausur ist vorbei und ich habe ziemlich versagt. Von 20 Fragen müsste man 12 richtig beantworten, um zu bestehen. Ich war mir gerade mal bei 8 Fragen sicher mit meiner Antwort. Die Klausur ist nun über eine Woche her und ich will endlich das Ergebnis wissen, da ich sonst noch durchdrehe.

In der ersten Hälfte dieser Woche hatte ich Seminar in der Palliativ-Medizin und der Arzt, der das Seminar gestaltet hat, war einfach nur fantastisch. Er hat alles mit uns gemeinsam erarbeitet, so ist tatsächlich mal was hängen geblieben. Es war super interessant und nicht totlangweilig wie in einer Vorlesung. In der zweiten Hälfte fand das Schmerzmedizin-Seminar statt, und es war unerträglich. Wie eine Vorlesung, man konnte null zuhören und die Zeit habe ich quasi nur abgesessen.
Momentan bin ich komplett im Weihnachtsstress. Normalerweise liebe ich Weihnachten und freue mich anderen Geschenke vorzubereiten, Karten zu basteln etc. Aber durch die Blockpraktika und die Klausur habe ich so viel Zeit verloren, dass ich einfach nicht mehr alles schaffe. Ich wollte noch Kerzen gießen und Pralinen. Ich muss die Weihnachtskarten basteln, Bilder mit Acrylfarbe malen... Ich bin gerade mal mit den Fotokalendern fertig geworden dieses Wochenende und heute muss ich schon wieder zurück zur Uni fahren, weil ich morgen früh schon um 7:20 in der Klinik sein muss. Zum kotzen.


Dienstag, 27. November 18

Unser Blockpraktikum letzte Woche in der Rheumatologie war ja beinahe ein Reinfall. Wir wissen ja, dass die Rheumatologie sehr komplex ist und als Studenten haben wir uns gewünscht, dass wir mal einen Überblick über all die rheumatischen Erkrankungen bekommen und wie man diese differenzieren kann. Allerdings wiederholten wir nur die Grundlagen zur Immunologie und Infektiologie aus dem 2. und 5. Semester ohne Brückenschlag zur Rheumatologie. In manchen Ambulanzen waren wir absolut unerwünscht. Und es ist wirklich kein schönes Gefühl, wenn Ärzte sich vor einem Streiten, wer nun die Studenten nehmen soll und ihnen was beibringen und wessen Zeit kostbarer ist.
Diese Woche sind wir in der Hämato-Onkologie, hier geht es viel um Lymphome und Leukämien, sehr interessant. Es ist auch wesentlich schöner gestaltet. Einen guten Überblick haben wir dennoch mal wieder nicht bekommen, die Seminare sind aber wesentlich besser. Es ist nur äußerst ärgerlich, weil wir am Freitagabend noch eine Prüfung zu Rehabilitation und Naturheilverfahren haben. Und wenn man erst am späten Nachmittag vom Praktikum nach Hause kommt, will man irgendwie nicht noch für die Klausur am Abend lernen müssen. Ich bin absolut demotiviert.

Dazu kommt, dass ab Samstag Adventskalenderzeit ist und ich es vorher nicht mehr schaffe, die Adventskalender zu füllen, da ich bis Freitag noch bei meinem Freund in der Nähe der Uni übernachte und nicht zu Hause bin. Würde ich jeden Tag von zuhause aus in die Uni und wieder heimfahren, dann würde ich 3-4h pro Tag verlieren. Das lohnt sich so kurz vor einer Klausur einfach nicht.

Dabei hab ich sonst immer so viel Freude an Adventskalendern etc, aber ohne Zeit ist es einfach nicht schön. Ich freu mich schon ab diesem Wochenende endlich die Nikolaustütchen, Adventskerzen, Fotokalender etc zu gestalten, zu bemalen, Weihnachtskarten zu basteln etc. Nicht unbedingt, weil ich Weihnachten so mag, sondern weil ich wahnsinnig gerne anderen Leuten Freude bereite und ich einfach gerne handwerklich arbeite. Wenn ich nur mehr Zeit hätte :(


Donnerstag, 22. November 18

Vorletzten Samstag gab mein Laptop einfach den Geist auf. Weißer Bildschirm, nichts weiter. Kein Erfolg im Single User Modus, im Recovery Modus, im Diagnose Modus, und und und.... Diagnose: SSD-Festplattenkabel-Defekt. Unser zentraler Apple-Reseller sicherte für mich meine Daten auf eine externe Festplatte, bevor mein Laptop eingeschickt und geprüft wurde. Dann stellte sich heraus, dass wieder (wie vor 2 Jahren) der gleiche Grafikkartenfehler zusätzlich auftrat, doch dieses mal konnte nichts mehr repariert bzw. ausgetauscht werden, weil es keine Ersatzteile für die Laptops von 2011 mehr gibt. Damit ist mein altes MacBook Pro irreparabel. Ich könnte heulen.

Letztes Wochenende habe ich dann Preise verglichen und Apple ist einfach unverschämt. 3300 Euro für ein neues MacBook Pro 15''? Wer hat denn bitte so viel Geld. Dank Studentenrabatt und billigeren Internetseiten konnte ich nochmal ein paar Hundert Euro sparen, aber da Windows für mich einfach nicht mehr in Frage kommt, musste es einfach wieder ein MacBook werden. Gerade tippe ich an meinem neuen 2018 MacBook Pro mit 15 Zoll, 2,6 GHz Prozessor, 560X Grafikkarte, 512GB SSD-Festplatte und 16GB RAM und ich bin absolut schockverliebt. Der Bildschirm-Display ist trotz gleicher Zoll-Größe nochmal größer, das Trackpad ist viel größer, der Apfel auf der Rückseite verspiegelt und die Touch Bar ist tatsächlich nützlich. Das Tippen auf dieser Tastatur ist so schön angenehm, dass ich es kaum abwarten kann, dass meine nächste Klausur endlich vorbei ist und ich endlich wieder an meinem Buch weiterschreiben kann. Hach.

Mein einziges Problem: Diese blöden USB-C-Anschlüsse. Warum können diese MacBooks keine normalen USB-Anschlüsse mehr haben? Eigentlich kam der Laptop schon vorgestern, und ich bin extra nach Hause gefahren, um meine Datensicherung aufzuspielen. Aber nein, ich hätte ja keinen Adapter und musste erst einen bestellen. Heute kam der Adapter, doch die Datensicherung kann ich immer noch nicht aufspielen, weil der Migrationsassistent den Benutzerordner nicht erkennt. Mit Time Machine wäre alles so einfach, aber leider konnte ich am kaputten Laptop ja kein Time Machine Backup mehr machen. Ärgerlich.

Der Laptop ging vorletzten Samstag genau dann kaputt, als ich anfangen wollte zu lernen für meine Prüfung, die morgen in einer Woche stattfindet. Jetzt habe ich nur noch eine Woche Zeit. Und am Samstag kann ich gar nicht lernen, weil ich da morgens backe und mittags zu meinem Vater fahre, da er Geburtstag feiert. Morgen kann ich auch nicht viel lernen, weil ich von 12-18 Uhr unterwegs bin, nur für 1,5h Pharma-Seminar. Die Freuden des Pendelns mit Bus und Bahn. Und nächste Woche kann ich auch nur am Abend ein bisschen lernen, weil ich Innere-Medizin-Blockpraktikum in der Hämato-Onkologie habe. 

Dafür kommt am Samstag auch ein Freund meines Vaters zu seinem Geburtstag, der Informatiker ist und sich super mit Macs auskennt und mir mit meiner Datensicherung sicher helfen kann. Bis dahin lerne ich eben von meinem einen Ordner mit den Vorlesungen zu Rehabilitation. Mehr Ordner werde ich vorerst nicht anlegen, damit ich vorher nicht so viel sichern muss, bevor mein Benutzerordner wieder hier her gezogen wird.

Ach, dieses Tippen. So schön angenehm. Die Finger gleiten nur so über Tastatur. So ein neuer Laptop ist wirklich einfach nur fantastisch.


Dienstag, 30. Oktober 18

Vorletzten Mittwoch war ich wieder bei meinem Kumpel N. in der Psychiatrie zu Besuch und es war das reinste Chaos. Er stellte mir zwei Mädels vor, die mit ihm auf Station sind und mit denen er sich gut verträgt: M. und Ni.

M. bekam von ihrer besten Freundin A. Besuch und kurz darauf mussten alle Patienten zum Essen auf Station und die Besucher mussten draußen warten. Deshalb unterhielt ich mich eine Weile mit A. Es stellte sich heraus, dass sie selbst Borderlinerin ist und schon dort auf Station war und aktuell ihre Mutter auch dort auf Station ist, zu der sie aber eigentlich keinen Kontakt mehr hat. Sie hat wohl vor ein paar Jahren ihre Sachen gepackt und ihre Kinder beim Vater zurückgelassen und sich seitdem nicht mehr gemeldet.
Dann kam ein hochnäsiger Typ in brauner Lederjacke mit 2 Mitpatientinnen (eine davon F.) nach draußen zu uns und stellte sich breitbeinig vor uns hin, mit verschränkten Armen. "Sag mal, du fühlst dich ganz schön wohl in deiner Opferrolle, oder? Hör mal auf dich zu ritzen, das tut deiner Mutter weh, weißt du das eigentlich? Und dann drückst du dich die ganze Zeit auf dem Klinikgelände herum und sagst nicht mal Hallo zu deiner Mutter, nur um ihr eins reinzuwürgen. Kannst du mal aufhören dich von deinem Vater so manipulieren zu lassen?" - Dieser Kerl hat sie wohl nicht mehr alle so mit einem Besucher zu reden. Das Ganze wurde ziemlich schnell, ziemlich hitzig. Scheinbar erzählte ihre Mutter auf Station herum, dass sie ständig versucht Kontakt aufzunehmen und niemand darauf reagiert und dass sie ihre Kinder nicht mehr sehen darf. Totaler Blödsinn, wenn sie freiwillig einfach abgehauen ist. Jedenfalls fing A. schon an zu zittern und ich hab sie dann dort weggeschoben und bin mit ihr in die andere Richtung gelaufen und hab den anderen zugerufen: "Ihr seid doch auch nicht ohne Grund hier, und würdet ihr so ein Gespräch auf diese Weise führen wollen?" Darauf hin haben sie mich auch noch beschimpft und ich bin mit erhobenem Mittelfinger mit A. weggelaufen. N. und M. kamen später nach dem Essen zu uns nach und als wir ihnen das alles erzählten, stellt sich heraus, dass das eine Mädchen, das neben dem Kerl stand (F.) in meinen Kumpel N. verknallt ist und ultra eifersüchtig auf M., weil sie mit ihm redet und mit ihm befreundet ist. Scheinbar hetzt F. schon die ganze Zeit gegen M. und mobbt sie und beleidigt sie.

Dann bekam M. noch Besuch von ihrer Mutter und Oma und die beiden waren darüber ebenfalls NULL amüsiert. Da kamen die 3 Idioten doch tatsächlich NOCHMAL zu uns, haben uns nochmal aktiv auf dem Klinikgelände draußen gesucht um uns wieder anzupöbeln und sogar M.s Mutter gegenüber: "Schämen Sie sich gar nicht, dass sie so verzogene Bälger großgezogen haben?!". N., M. und ich schnappten uns A. gleich wieder und gingen zurück Richtung Station. A. fing schrecklich an zu weinen und zu zittern und M. rastete völlig aus. Sie wollte sofort von dieser Station weg, aus der Psychiatrie weg und sich selbst entlassen und stürmte auf Station um dort Bescheid zu sagen. Irgendwann kamen ihre Mutter und Oma nach und erzählten, was die drei noch so alles von sich gaben. Nur schreckliche Sachen. Wir alle trösteten A., die selbst 2h später noch total durch den Wind war. M. war ewig bei Arztgesprächen, dann wurde ihre Mutter noch dazu gerufen und wir warteten und warteten. Es wurde immer später und irgendwann musste ich dann gehen, weil es einfach zu spät wurde.
Und dann? Dann wollte ich gerade auf die Autobahn fahren, passierte da vorne ein Unfall und die gesamte Auf- und Abfahrt wurden gesperrt. Dann dauerte es noch ewig bis ich durch die Dörfer eine neue Autobahnauffahrt finden konnte und ich kam ohne Abendessen nach Hause. Eigentlich wollten N. und ich zusammen irgendwo in der Stadt essen, aber dazu kam es ja leider nicht mehr.
Letzte Woche war ich die ganze Zeit in der Uni, von früh bis spät im Dermatologiepraktikum, und dann hatte ich noch 2 Seminare in Pathologie und Pharmakologie. Diese Woche habe ich fast komplett frei. Am Freitag ist wieder Pharma-Seminar, aber Donnerstag ist Feiertag und morgen ist der beste Tag im Jahr: Halloween!

Letztes Jahr waren mein Freund J., N. und seine Freundin und ich im Kino an Halloween und eigentlich hatten wir es dieses Jahr wieder vor. Aber dieses Jahr sind es nur J. und ich, da die beiden sich ja getrennt haben und N. noch immer stationär ist. Letzte Woche konnte ich ihn ja leider nicht besuchen, deshalb fahre ich heute nochmal 45min dort hin, bringe Kuchen und eine Halloween-Box mit. Eigentlich fand ich diese Explosionsboxen immer nicht so toll, aber diesmal habe ich es auch ausprobiert und finde sie einfach klasse. Wenn man den Deckel hochhebt, dann fallen die Seiten der Box um. In den Deckel habe ich eine Schnur mit einer Spinne geklebt, die dann herumbaumelt. Unten in der Box sind künstliche Spinnenweben mit einer Plastikspinne und insgesamt ist die Box gefüllt mit Halloween-Kaubonbons, Halloween-Kinder-Schokolade, ein Auge, ein abgeschnittener (weißer-Schoko)-Finger, ein Monster-Ü-Ei, und und und. So eine hab ich auch für meinen Freund gemacht, aber er kriegt die Box erst morgen vor unserem Kino-Besuch.
Hoffentlich wird es heute nicht zu regnerisch und glatt, wenn ich abends wieder nach Hause fahre. Es sind 90% Regenwahrscheinlichkeit gemeldet und es regnet auch schon den ganzen Tag. Außerdem kann ich heute nicht so spät heim kommen, weil ich noch weitere Karten basteln muss für die kommenden Geburtstage (Oma, Papa etc.). Ich bin so süchtig geworden, nach diesen Bastelmotivblöcken/Designblöcken oder wie auch immer die alle heißen. Ich habe über 20 Stück in verschiedenen Größen, die ich nun alle für die Explosionsboxen und Deko, Geburtstagskarten, Weihnachtskarten etc. benutzen kann.
Meine nächsten Wochen werden leider ziemlich voll Arbeit stecken. Ich habe 2 Wochen lang Chirurgie-Blockpraktikum täglich von früh bis abends + zusätzlich mittwochs Patho-Seminar und freitags Pharma-Seminar. Am Ende des Praktikums findet noch eine mündliche Prüfung statt und im Anschluss habe ich 2 Wochen Innere-Medizin-Blockpraktikum, ebenfalls + Seminare (die habe ich jede Woche bis Ende Januar) und ebenfalls + mündliche Prüfung und direkt am nächsten Tag habe ich noch eine schriftliche Klausur zur Rehabilitation.
Der Dezember wird hoffentlich etwas angenehmer. Da habe ich in der ersten Woche Schmerz- und Palliativmedizin-Blockpraktikum und in der zweiten Woche Urologie-Blockpraktikum. Dann bleibt nur noch eine Woche vor Weihnachten und da habe ich zum Glück nur 2 Tage Rechtsmedizin-Praktikum.
Ich muss wirklich jede freie Minute momentan nutzen um alles für Weihnachten vorzubereiten. Ich muss noch 1 Adventskalender basteln, insgesamt 4 verschiedene Kalender füllen, für jeden Familienmitglied für 2019 einen Kalender mit Fotos gestalten, Bilder mit Acrylfarbe malen und ich wollte einen Schirm bemalen und eine Uhr für meine Mutter machen (Uhrwerk habe ich aus dem Bastelgeschäft und möchte es an einer Leinwand, die ich bemalen werde, befestigen. Außerdem muss ich noch für jeden Weihnachtskarten basteln. Eigentlich liebe ich sowas ja, aber schwierig wird es, wenn mir kaum Zeit bleibt. Mit etwas Glück darf ich bald meine Doktorarbeit anfangen und dann muss ich schon nebenher auf die Fächerübergreifenden Leistungsprüfungen und mein Staatsexamen lernen.


Dienstag, 16. Oktober 18

Letzten Montag bekam ich von N. eine Nachricht in Telegram, dass er nun auf einer offenen Station ist und sein Handy wieder hat und auch Besuch empfangen darf. Am Donnerstag konnte ich ihn dann besuchen und bin mit meiner Mutter zum ersten Mal seit Ewigkeiten auf der Autobahn gefahren und das gleich eine dreiviertel Stunde lang. Wir waren Eisessen, Spazieren, er zeigte mir seine Station und das Klinikgelände und dann haben wir noch bei McDonald gegessen.
Scheinbar wird er dort noch ein paar Wochen verbringen, aber es geht ihm schon besser. Dank der neuen Medikamente fühlt er sich 'ausgezeichnet' und das ganz ohne Ironie. Ich freue mich sehr für ihn, aber da ich scheinbar die einzige Freundin bin, der er davon erzählen kann, bin ich abgesehen von seiner Mutter und evtl. seiner Schwester leider auch der einzige Besuch, den er bekommt. Mit seinen anderen Freunden kann er darüber offenbar nicht reden und es tut mir so Leid für ihn. Ich werde ihn morgen wieder besuchen, aber vorher muss ich noch in die Uni. Gestern, heute und morgen findet das Arbeitsmedizin Blockpraktikum statt und bisher war es weniger sinnvoll und viel gelernt haben wir dabei auch nicht. Eigentlich wie immer nur Zeitverschwendung. Dafür hatte ich ein nettes Wochenende. Mein Freund J. kam schon am Freitag Abend zu mir, bzw. habe ich ihn mit dem Auto abgeholt und wir sind Samstag früh um 6 Uhr losgefahren nach Dresden um dort den Malerweg im Elbsandsteingebirge entlang zu wandern und am Ende die Bastei zu betrachten. Wunderschöne Landschaft. Dabei waren mein Papa, seine Freundin, die Tochter und der Enkelsohn seiner Freundin + deren Hund. Es war wirklich ein schöner Ausflug, im Anschluss waren wir noch in Dresden essen und am nächsten Tag haben wir uns nochmal ein paar Gebäude in Dresden angeguckt, bevor wir am Abend wieder nach Hause gefahren sind.

Scheinbar ist die Zugstrecke von unserer Stadt zur Stadt meiner Uni die nächste Woche komplett gesperrt und es gibt nur Schienenersatzverkehrbusse, und da ich der Bahn nicht traue, werde ich wohl Sonntagabend mit einem Koffer 'anreisen' und eine Woche dort in der Wohnung meines Freundes bleiben, da ich die ganze Woche Blockpraktikum in der Dermatologie habe.
Aber bis dahin kann ich hoffentlich nochmal richtig ausschlafen, ich befürchte nämlich, dass ich krank werden. Mir ist den ganzen Tag schon abwechselnd zu kalt und zu warm und ich habe unterschwellige Kopfschmerzen, die super nerven.
Was ich nicht vergessen darf: Ich muss unbedingt demnächst Fotoartikel bei DM bestellen, zum einen für den Geburtstag von meinem Papa und dem Jahrestag von J. und mir, beides ist im November und ich habe dieses Jahr noch nicht mal die Fotos des Jahres sortiert und markiert. Normalerweise fange ich damit im Sommer an und speichere alle guten, nutzbaren Bilder in einem extra-Ordner um daraus dann die Fotoartikel für die Geburtstage und Weihnachten zu gestalten, v.a. die Kalender, die ich jedem Familienmitglied zu Weihnachten schenke.
Daran setze ich mich am besten jetzt gleich mal, dann ist zumindest ein Anfang gemacht.


Samstag, 6. Oktober 18

Mir ist durchaus bewusst, dass ich nicht der netteste Mensch bin. Eigentlich weiß ich, dass ich ein ziemlich furchtbarer Mensch bin und jedes Mal, wenn es mir wieder klar wird, dann möchte ich mir nur noch die Decke über den Kopf ziehen, mir 2 Stunden lang die Augen ausweinen und sterben. Das wäre für jeden das Beste. Und nein, ich bin nicht depressiv.
Fakt ist, dass ich ein furchtbarer Mensch bin und den Menschen, die mich lieben, am meisten wehtue und das ohne jeglichen Grund. Ich habe permanent eine unterschwellige Wut in mir und sobald irgendjemand irgendwas tut, was nicht in meine Ordnung passt, dann explodiere ich. Und ich hasse mich dafür, da es ausgerechnet die Menschen abkriegen, die ich liebe und die es am wenigstens verdient haben. Jedes Mal denke ich mir im Anschluss wieder: 'Du bist schrecklich. Entweder stirbst du bald oder du versuchst endlich dich zu bessern.' Und dann wird es mal für kurze Zeit besser und irgendwann halte ich es wieder nicht mehr aus. Es ist ein Teufelskreis und es fängt immer wieder von vorne an. Ich hatte das schon so oft an Silvester als guten Neujahrsvorsatz und nie hat es gefruchtet. Ich wünschte, ich wäre ausgeglichener und nein, Sport hilft da nicht und nein, andere Wege mich abzureagieren funktionieren auch nicht. Es verschwindet nur, wenn ich in meinem Wutanfall etwas kaputt gemacht habe und die Wut durch Trauer und Selbsthass abgelöst wird. Kaputt? Ja, z.B. eine Tasse oder sonstige Gegenstände, aber meist habe ich mich da noch unter Kontrolle. Am Ende kriegt es mein Freund ab, oder meine Mama. Am meisten aber mein Freund und das hat er nicht verdient. Es hat so einen Menschen wie mich nicht verdient. Ich liebe ihn über alles und wünschte, er würde endlich mit mir Schluss machen und glücklich werden.

Gestern Abend waren wir im Schwimmbad und ich dachte: 'Hey, das wird heute ein richtig schöner Abend. Wir schwimmen erst eine Runde und dann machen wir es uns im heißen Becken auf dem Dach nochmal gemütlich und genießen die Aussicht und im Anschluss essen wir etwas bei einem Film. Ein richtig schöner Abend.' Und noch bei der ersten 50m Bahn, die wir gerade erst angefangen haben zu schwimmen, fängt er an rumzualbern, Blödsinn zu reden und ich spritze ihn deshalb etwas nass. Und er spritzt mich sofort noch viel mehr nass als ich ihn. Meine Haare waren patschnass und in dem Moment wollte ich ihn nur noch ertränken. Er weiß genau, dass meine Haare nicht mit Chlorwasser nass werden dürfen, da sie durch die Blondierung ziemlich strapaziert sind und sowieso viele Haare abbrechen und sie nur noch ganz dünn sind und ich erst am nächsten Tag früh meine Haare waschen wollte und jetzt hatte ich ja das ganze Chlor in den Haaren. Ich war SO wütend und wurde richtig bockig und zickig. Damit hatte ich quasi den ganzen Abend ruiniert und ich weiß wirklich nicht, wieso er das mit sich machen lässt. Ich habe erst nicht mehr mit ihm geredet, dann nur noch gemeckert und ihn angemotzt, wie blöd er ist und wieso er das macht, wo er doch genau weiß, dass mir davon die Haare noch mehr abbrechen und und und. Ich habe gar nicht mehr aufgehört. Dann habe ich mich an den Ausgang gesetzt und gesagt, dass ich keinen Bock mehr zum schwimmen hätte, ihn aber wieder weiter schwimmen geschickt, bis ich dann doch wieder nachgekommen bin. Es war furchtbar. Irgendwann hatte ich mich wieder beruhigt und der restliche Abend war noch erträglich, aber ich hatte die ganze Zeit im Kopf, was ich schon wieder für eine Scheiße verzapft hatte.

Heute kam er und 2 andere Gäste zu einem Festtagsumzug zu uns und es gab Kaffee und Kuchen. Ich hab mich mal hinter ihn gestellt und umarmt und meine Mama meinte: Soll ich mal ein Foto von euch machen? Ich sagte direkt nein (ich hasse Fotos von mir, ich sehe immer furchtbar aus, außerdem wäre es total gestellt gewesen und die anderen Gäste hätten uns dabei zugeguckt, was mir noch unangenehmer gewesen wäre, dabei hätte ich eigentlich gerne mehr Fotos von meinem Freund und mir), aber er hätte wohl gerne eins gehabt. Meine Mama hat aber nur mein Nein mitgekriegt und nicht mehr auf ihn geachtet und dann wurde ich so wütend auf sie, dass sie nicht checkt, dass sie ein Foto von uns machen soll. Immer wieder habe ich es angedeutet, aber sie hat es einfach nicht verstanden und ich frage mich dann selbst: Wieso kann ich sie nicht einfach bitten? Einfach nochmal fragen, sie hat es ja scheinbar nicht gehört. Aber es geht einfach nicht. Ich kann nur bockig und wütend in der Ecke sitzen und es noch schlimmer machen, indem ich sie irgendwann anmotze, dass sie doch ein Foto machen sollte, 'aber nein, jetzt nicht mehr! Jetzt ist es zu spät und dann geh ich woanders hin, immernoch ein Foto wollend und es wird immer schlimmer und dann ziehe ich meinen Freund auch noch mit rein. Er musste längst wieder nach Hause und ich habe mit ihm angefangen zu streiten, weil er gehen musste, ich aber doch das Foto wollte, aber nicht danach fragen. Und dann wenn es (nach geschlagenen 2h!!) endlich soweit ist und sie ein Foto von uns macht, dann schaue ich auf dem Foto immer noch stockwütend, weil ich es nicht hinkriege zu lächeln. Und sie wird immer alberner und macht Quatsch um mich zum Lachen zu bringen und ich werde immer böser und möchte sie nur noch wegschubsen, weil sie so viel Blödsinn macht, während ich wütend bin. Alle Bilder wurden furchtbar. Wer hätte es gedacht. Und anstatt einfach gleich ein schönes Bild machen zu lassen, hatte ich am Ende 2 Stunden Streit und beschissene Bilder. Eine wundervolle Erinnerung. Und seitdem sitze ich hier und heule nur noch. Mein Freund musste irgendwann nach Hause und meine Mutter ist noch auf Geburtstag eingeladen gewesen und ich sitze jetzt alleine in meinem Zimmer und frage mich, wieso ich nicht einfach mal eines morgens nicht mehr aufwachen kann. Ich war so gemein zu ihm. Er hatte keine Chance irgendwas richtig zu machen. Ganz egal, was er getan hätte, ich hätte ihn in fetzen gerissen. Und so kam es dann ja auch.

Jetzt nehme ich mir natürlich wieder vor, es nie wieder zutun, mit verheulten Augen und nur noch Wut auf mich selbst. Aber ich hoffe mehr auf eine von zwei Optionen: Er sieht endlich ein, dass er mehr wert ist und verlässt mich oder ich werde bald überfahren/wache nicht mehr auf.


Donnerstag, 4. Oktober 18

Ich hätte ja wirklich nicht gedacht, dass jemand den letzten Eintrag gelesen hat, aber hey Silver! Du hast leider keine Kontaktdaten hinterlassen, deshalb konnte ich dir nicht antworten. Aber vielleicht liest du das hier auch, dann würde ich mich über eine Nachricht im privaten Briefkasten freuen. Vielleicht könnten wir ja mal in Kontakt bleiben?

 

Mein bester Freund war vor 3 Tagen das letzte Mal online. Er schickte mir nur eine Sprachnachricht, in der er mir Bescheid gab, dass er sich in stationäre Behandlung begibt und deshalb vorerst nicht erreichbar sein wird, weil er sein Handy abgeben muss und dass er auch nicht weiß, wie lange er dort sein wird, aber dass wir uns vor Semesterstart nicht mehr sehen werden.
Sofort googelte ich die Psychiatrie, in der er nun zu sein scheint und stellte fest, dass sie mit dem Auto 45min von mir entfernt liegt. 'Kein Problem', dachte ich, 'ich fahre ja mittlerweile Auto, dann besuche ich ihn eben diese Woche'. Aber dann rief ich dort an und eine unfreundliche Krankenschwester maulte mich an, dass es dort während des gesamten Aufenthalts kein Besuchsrecht gäbe. Ich könnte wohl nur einen Brief schreiben. Ich weiß nicht mal, ob es ein Patiententelefon gibt. Die letzten Worte seiner Sprachnachricht waren ein leises "Ich hab dich lieb."
Vor wenigen Wochen haben er und seine Freundin sich getrennt, und er wollte an einem Samstag in der Stadt, in der ich wohne, abends in einen Club und bis 4 Uhr nachts bleiben. Aber danach fuhren keine Züge mehr und ich hatte ihm angeboten bei mir zu übernachten. Allerdings wurde er dann schon um 2 Uhr von seiner Schwester gebracht, und er stolperte nur noch ins Bad neben meinem Zimmer. Er war kaum ansprechbar, stammelte nur Unverständliches und gegen 5 Uhr morgens schaffte ich es endlich ihn in mein Zimmer auf die Matratze zu hieven. Es ging ihm anschließend 2 Tage sehr schlecht, wir redeten über alles und ich hatte es ihm sogar empfohlen.
Aber jetzt, da er weg ist, vermisse ich ihn. Ich würde ihn so gerne besuchen, ihm zeigen, dass ich ihn unterstütze und ihn auch lieb habe. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als ihm einen Brief zu schreiben, aber dafür fühle ich mich noch nicht bereit. Ich habe Angst, die falschen Worte zu wählen oder nicht genau das auszudrücken, was ich ihm eigentlich an Stärke und Motivation senden möchte. Vielleicht schreibe ich heute Nacht noch oder morgen am Vormittag einen Brief und anschließend werde ich mit meinem Freund ins Schwimmbad gehen um mich abzulenken. Ich will meine 2x pro Woche 1km schwimmen-Routine über den Winter beibehalten, auch wenn mein Schwimmfreund nun erstmal eingesperrt bleibt.


Sonntag, 30. September 18

Ich schreibe selten hier etwas rein, weil ich jedes Mal denke: Warum mache ich mir die Mühe? Es liest sowieso keiner, es interessiert niemanden und meine Seite wird ja sowieso nicht mehr besucht. Diese Seiten haben sich verändert und das ist gut so, denke ich. Das würde ja heißen, dass es den meisten hier besser geht, sie nicht mehr auf solchen Seiten herumscrollen und wie besessen an nichts anderes mehr denken. Aber hin und wieder, alle paar Monate, trudelt eine Nachricht in meinem Gästebuch ein: "Hey, wie geht's dir, ich war lange nicht aktiv, aber jetzt bin ich wieder da." Und ich antworte jeder einzelnen dieser Nachrichten. Aber ich bekomme nie eine Antwort zurück.
Eigentlich bin ich auch nicht mehr wirklich aktiv. Ich komme nur wegen Gästebucheinträgen auf meine Seite, aber ich versuche zumindest Kontakt zu halten, denn ich hatte euch echt gerne. Ich empfand unseren Austausch damals als Freundschaft. Ich hatte hier viel mehr Freunde, als im wahren Leben. Ich habe mich früher hier her geflüchtet, um verstanden und unterstützt zu werden.
Ich dachte, ich wäre darüber hinweg. Ich halte keine Diät mehr, ich trinke nicht mehr 300ml kaltes Wasser vor jeder Mahlzeit, ich wiege mich nicht mehr täglich und ich hasste mich nicht mehr. Ich dachte es.
Aber gerade sitze ich hier und mir wird klar, dass ich mich niemals mögen werde. Ob ich zunehme oder abnehme oder genau so bleibe, wie ich bin, ich werde mich immer in meinem Körper schämen. Ich werde mich immer fragen, was andere von meinem Aussehen halten. Ich sehe in den Spiegel und möchte weinen. Ich finde mich hässlich, mein Gesicht ist nicht symmetrisch, meine Augen zu klein, meine Nase zu groß, meine Wangenknochen zu breit und meine Haare brüchig und dünn. Meine Beine sind zu dick und passen nicht zum Rest meine Körpers und egal, was ich tue, das wird sich nicht ändern. Ein Arzt hat mir vor ein paar Wochen gesagt, dass es sich dabei um eine Lipohyperplasie handelt, die Vorstufe von einem Lipödem. Meine untere Körperhälfte wird proportional niemals zu meiner oberen passen. Ich sehe aus wie ein furchtbarer Unfall. Wenn ich darüber nachdenke, kommen mir die Tränen. Ich will mich in mein Bett verkriechen und nie wieder aufstehen und ich frage mich: Wo sind die Mädchen, die früher von sich genauso gedacht haben? Was habt ihr getan, dass es euch besser geht? Oder geht es euch noch genauso? Wo seid ihr? Und wieso habt ihr mich hier alleine gelassen?


Dienstag, 17. Juli 18

Natürlich, das war so vorhersehbar. Ich gehe zweimal mit einer Freundin schwimmen und der Bademeister ist nicht dort. Dann gehe ich einmal alleine und wer steht da? Ganz genau. Es war fast genau 11 Uhr und nur zwei ältere Damen im gesamten Becken. Er stand am Rand und enthedderte die langen Schläuche, die normalerweise die einzelnen Bahnen voneinander abgrenzten. Ich atmete tief durch, ging zum Beckeneingang und begann zu schwimmen. Es war so unangenehm nach jeder Bahn direkt neben ihm einfach zu wenden und zurück zu schwimmen und ihn dabei nicht anzusehen. Ich kam mir so unhöflich vor, doch er beachtete mich ebenso wenig. Doch dann wollte er die Bahn-Abgrenzung wieder anbringen und zog die langen Schlangen durch das gesamte Becken, bis er an der anderen Seite ankam. Er blockierte damit die gesamte Bahn und ich wusste nicht, wie ich ausweichen konnte. Hilflos sah ich ihn an und wartete auf eine Bemerkung, einen Hinweis, wohin ich schwimmen sollte. Doch er brummelte nur ein "Hi" und zog die Schlangen weiter in meine Richtung.

Am Ende musste ich untertauchen um meinen Kopf nicht von meinem Körper rasiert zu bekommen. Er wusste genau, dass ich immer versuchte meine Haare möglichst trocken zu halten, da das Chlorwasser zum einen meine Haarfarbe ändert und zum anderen meine Haare kaputt macht und sie anschließend ziemlich abbrechen. Es war ihm komplett egal. Als ich wieder auftauchte, bemerkte ich, dass er sehr vorsichtig die Schlange um eine ältere Dame im Becken herum wickelte, damit sie nicht nass wurde. Es war bei mir also seine volle Absicht. Mal abgesehen davon, dass meine Kontaktlinsen im Anschluss ziemlich störten.

Er ging aus dem Raum und ein anderer Bademeister nahm seinen Platz ein. So konnte ich wenigstens gemütlich schwimmen, ohne mir nach jeder zweiten Bahn komisch vorzukommen, wenn ich ihn nicht beachtete.

Als ich fertig war, saß er allein im Aufsichtsraum. Ich klopfte, er sah mich durch die Glasscheibe und kam langsam zur Tür. Man sah ihm an, wie unangenehm es ihm war, doch mir ging es genauso.
"Krieg ich noch den Namen von deinem Tattoowierer?" - "*****" - "Wie bitte?" - "Ich bin beim *****." - "***** in Berlin?" - "Nein, hier bei uns." - "Ja, ich weiß. Mein Papa war immer bei ihm. Aber du hast gesagt, du gehst dafür nach Berlin!" - "Ja, ich konnte nicht, weil die anderen sich jetzt alle bei ihm stechen lassen." - "Die anderen?" - "Ja, vom Kickboxen." Das Gespräch war zwar nicht besonders flüssig, aber seine Stimme war freundlich. Doch als wir beide nichts mehr zu sagen hatten, konnte er die Stille nicht aushalten. Man sah ihm wieder an, wie unangenehm es ihm war mit mir zu sprechen. Was hatte ich nur so schlimmes getan? Leider habe ich mich in dem Moment nicht getraut, ihn zu fragen. Ich verabschiedete mich und ging nach Hause.
Fakten: Er antwortet mir nicht in Whatsapp und liest nicht mal meine Nachricht. Er hat nicht mal meine Nummer abgespeichert, obwohl er sich am Anfang beschwert hat, dass ich ihm nicht geschrieben habe. Am Telefon wimmelt er mich direkt ab. Wenn wir uns zufällig sehen, sagt er zwei "Hi", wenn er an mir vorbei läuft, doch es ist ihm sichtlich unangenehm. Und wenn ich ihm eine konkrete Frage stelle, dann antwortet er auch freundlich, aber im Anschluss will er das Gespräch so schnell es geht beenden.

Ich verstehe ihn einfach nicht. Wenn ich ihm auf die Nerven gehe und in Ruhe lassen soll, dann sollte er es mir sagen. Wir sind doch beide erwachsen. So frage ich mich nun, was ich so schreckliches falsch gemacht habe, dass er mich so behandelt. Schließlich hat er mich angesprochen und mehrmals eingeladen.

Vielleicht ergibt sich ja demnächst beim Schwimmen wieder mal eine Gelegenheit es herauszufinden. Doch jetzt muss ich unbedingt weiterlernen, da ich morgen früh um 9 Uhr meine nächste Klausur schreibe.


Montag, 16. Juli 18

Vor einer Woche rief ich den Bademeister F. an. Ich war mir mittlerweile sicher, dass er nichts mehr mit mir zutun haben wollte, doch ich wollte unbedingt noch den Namen seines Tattoowierers wissen, den er mir in unserem ersten Gespräch empfohlen hatte. Außerdem wollte ich nett sein und mich nach seinen Prüfungen erkundigen.

Er war 30min lang online, bevor ich ihn anrief und es dauerte keine zwei Sekunden, da nahm er schon ab.
Er: "Hi?"

Ich: "Hey"
Er: "Wer ist da?"
Ich: "[mein Name]?"

Er: "Was willst du?" (genervt)

Ich: "Hast du zwei Minuten?"

Er: "Nee, ich hab grad ka Zeit.."

Ich: "Sagst du mir, wenn du mal Zeit hast."
Er: "Ich hab jetzt echt gar ka Zeit..!" (noch genervter, fast verärgert)

Ich: "Ich meinte ja auch, dann wenn du mal Zeit hast..." (traurig)

Er: (sehr zögerlich) "Hmmm, ja kann ich machen. Tschau!"

Und schon hatte er aufgelegt. Und anschließend war er nochmal eine Stunde lang online. Wenn er keine Zeit hatte, wieso war er dann permanent online? Und wieso geht er innerhalb von 2 Minuten ans Telefon, wenn er scheinbar meine Nummer nicht eingespeichert hat und nicht mit mir sprechen will. Seitdem bin ich mir sehr sicher, dass er mich ignorieren wird, wenn ich wieder schwimmen gehe. Am Wochenende war ich deshalb extra mit einer alten Schulfreundin 2x schwimmen. Ich hatte die Hoffnung, dass ich unsere Begegnung schnell hinter mich bringen könnte und nicht so schlecht fühlen müsste, wenn ich noch jemanden dabei hatte, mit dem ich mich während des Schwimmen unterhalten konnte. Doch er war nicht da.

Eigentlich hatte ich heute vor wieder zu schwimmen, doch ich habe niemanden gefunden, der heute Zeit hatte um mit mir mit zu gehen. Ich wollte auf keinen Fall alleine. Es ist mir so unangenehm. Ich weiß nicht, weshalb genau er so böse oder genervt von mir ist. Wegen meinen vielen Nachrichten? Weil ich ihn angerufen habe? Hat sich die Blondine vielleicht doch gemeldet? Ist es, weil ich einen Freund habe? Aber wieso hat er mir dann seine Nummer überhaupt gegeben und sich beschwert, dass ich ihm nicht gleich geschrieben habe.

Wieso lädt er mich erst 6 Mal ein während unserer ersten beiden Gespräche und wenn ich dann mal Zeit habe, dann will er plötzlich nicht mehr? Ist ihm sein Spruch peinlich? Dabei habe ich ihm doch diese elegante Lösung gegeben um den Spruch zurückzunehmen. Ich verstehe ihn einfach nicht und es gefällt mir nicht, dass ich mir wegen ihm solche Gedanken mache. Ich wünschte, er hätte mich nie angesprochen. Ich hätte mich deshalb nie gut gefühlt und jetzt nicht schlecht. Wenn ich ihn morgen sehe und alleine bin, soll ich ihn ignorieren? Soll ich zumindest "Hi" sagen, aber nicht mehr? Wird er auf mich zukommen oder mir aus dem Weg gehen? Es ist schon 00:40 Uhr und ich kann einfach nicht schlafen. Eigentlich müsste ich mich auf meine Klausuren konzentrieren, doch ich kann einfach nicht, solange ich diese unangenehme nächste Begegnung nicht hinter mir gebracht habe und morgen ist meine letzte Chance für die nächsten zwei Wochen, da ich dann keine Zeit mehr haben werde...


Donnerstag, 5. Juli 18

Am Dienstag war ich wieder schwimmen. Als ich mit meiner letzten Bahn fertig war, kam der Bademeister in den gleichen Raum, wie immer und ich gesellte mich zu ihm, doch ich bekam nicht mal ein Hallo von ihm. "Du hast mir gar nicht geschrieben!", beschwerte er sich direkt. 1. Ich wusste, dass wir uns 2 Tage später schon wieder sehen würden und 2. wollte ich nicht, dass er enttäuscht ist, wenn er eine Nachricht von unbekannter Nummer bekommt und erst denkt, dass sie möglicherweise von der Blondine ist, doch dann ist sie nur vonm mir. "Ach, da wäre ich doch nicht enttäuscht."

Er musste dann ziemlich schnell los, weil zuhause irgendetwas nicht in Ordnung war. Er verabschiedete sich mit den Worten: "Ich schreib dir später!"
Doch er hatte meine Nummer gar nicht, deshalb schrieb ich ihm "Buh", damit er sie hatte. Doch ich bekam an diesem Tag keine Antwort mehr. Am nächsten Tag fragte ich nich, ob alles okay war zuhause, doch ich bekam noch immer keine Antwort. Heute morgen fragte ich nochmal nach und auch, ob er heute wieder arbeitete. Endlich bekam ich eine Antwort:

"Lust nach der Arbeit mit zu mir zu gehen?" - "eine Gegenfrage auf zwei meiner Fragen?" - "alles gut und ja, ich komme"

Daraufhin fragte ich: "Wollte eigentlich nur fragen, wann du aus hast und ob du Lust hast irgendwo was zum Futtern zu holen?"

Ich hatte um 17 Uhr eine Klausur und sollte bis 19 Uhr mit dem Zug wieder in meiner Stadt ankommen. Viele meiner Mitstudenten hatten für den Abend Unternehmungen geplant und auch ich wollte nicht direkt wieder nach Hause fahren und sofort weiterlernen. Mit seiner Frage implizierte er ja, dass er zum einen Zeit hat und zum anderen mich auch sehen will und ich implizierte das gleiche mit meiner Frage. Ich war mir also sicher, dass wir heute Abend etwas zusammen unternehmen würden.

Mein Handy klingelte wieder und ich las: "Und der Nachtisch bist du"

Was? Wie bitte? War das ein Scherz? Dachte er, ich bin die Blondine? Aber eigentlich sollte er mein Profilbild sehen. Meine nächsten Nachrichten kamen nicht mehr an und ich vermutete, dass er mit der Arbeit anfing, denn im Hallenbad gab es keinen Empfang. Ich gab ihm eine elegante Möglichkeit seinen Satz zurückzunehmen und erklärte, wer ich war und was wir später machen wollten. Außerdem schrieb ich ihm ein paar verschiedene Möglichkeiten und da er arbeitete, erwartete ich mir auch so schnell keine Antwort. Doch irgendwann war es 19 Uhr und ich kam in meiner Stadt an und hatte noch immer keine Antwort bekommen. Die Nachrichten waren mittlerweile angekommen und auch von ihm gelesen und dennoch bekam ich keine Nachricht. Ich dachte wirklich, er würde schreiben, wenn er aus hat (Hey, ich hab jetzt aus. Wo bist du? Soll ich dich holen?), doch nichts. Nach einer Stunde ärgerte es mich und ich rief ihn an und fragte nach, ob denn alles okay ist. Scheinbar war er direkt nach Hause gefahren und sehr genervt, weil ich davon ausgegangen war, dass wir verabredet waren. "Ich konnte einfach nicht schreiben während der Arbeit und dann war ich noch unterwegs auf dem Heimweg." Doch warum ist er überhaupt direkt heimgefahren? Wir legten auf und jetzt sitze ich hier und habe ihm noch einmal geschrieben und erklärt, dass es mir Leid tut und ich nur eine schlechte Woche hatte und mich auf unser Treffen gefreut hatte. Doch mittlerweile schaut er meine Nachrichten gar nicht mehr an.


Sonntag, 1. Juli 18

Ich habe den tollsten Freund der Welt und einen besten Freund, der leider mittlerweile in einer anderen Stadt wohnt. Doch ich wünsche mir seit längerem einen guten Freund in der Nähe, mit dem ich spontan etwas unternehmen konnte. Und der Bademeister war mir äußerst sympathisch. Er war nett zu mir, freundlich, wir hatten dieses und jenes gemeinsam und ich freute mich darauf ihn wieder zu sehen. Als ich im Schwimmer-Raum ankam, war er nicht da, doch mir fiel auf, dass ich meine Haarspangen vergessen habe. Schnell huschte ich durch den Rutschen-Raum zurück zu den Spinden, doch dort sah ich ihn im Augenwinkel auf der anderen Seite des flachen Beckens. Schnell holte ich meine Haarspangen aus dem Spind und auf meine Weg zurück zum Becken war er plötzlich auf meiner Seite des Pools und fing sofort an zu quengeln. "Ugh, ich muss heute noch 2 Stunden arbeiten, dabei müsste ich eigentlich auch lernen. Wir müssen unbedingt nach den Prüfungen den Xbox-Abend machen um den Frust und die Wut rauszulassen." Ich zitterte, weil ich vor dem Schwimmen einige Stunden nichts gegessen hatte und er sagte: "Das ist doch nur, weil du dich so freust mich wieder zu sehen."

Ich ging in den Schwimmerraum und schwamm meinen Kilometer. Kurz vor meiner letzten Bahn wechselten die Bademeister und er kam in den Raum, in dem ich war und setzte sich wieder dort in die Ecke. Als ich fertig war ging ich zu ihm und wir redeten wieder. Er lud mich zu Drinks ein, doch auch heute hatte ich wegen meiner Klausuren keine Zeit.
"Achja, es ist ja Sonntag, da hat ja sowieso nichts offen. Höchstens vielleicht die Tankstelle.. haha... das wäre ja sehr romantisch!" Flirtete er doch mit mir? Das konnte aber nicht sein. Nein, das war unmöglich.

Nach einiger Zeit fragte er mich, wieso ich zum Schwimmen Shorts trug. "Du brauchst dich doch wirklich nicht verstecken. Du hast eine tolle Figur!" Wir redeten und redeten und ich weiß nicht mehr, wie er darauf kam, aber dann sagte er: "Du brauchst einfach einen Freund, den du verprügeln kannst." Eigentlich wollte ich ihm noch nicht sagen, dass ich einen Freund hatte. Ich wollte ihn erst besser kennenlernen und dass er mich als Mensch mag und nicht sofort das Interesse verliert, sobald er erfährt, dass ich nicht mehr zu haben bin - für den unwahrscheinlichen Fall, dass er doch nicht nur freundlich war. Doch jetzt musste ich es sagen. "Ich habe einen Freund, den ich verprügeln kann." Er sah mich einen Moment zu lange an, fing sich wieder und wir redeten normal weiter. Er stupste meine Nase an, klaute sie mir sogar einmal und versucht meinen Nacken zu kraulen. Ich sah ihn finster an, doch er fing nur an zu lachen. Als er neben mir stand und sich an mir anlehnte, kippte ich fast um. Er war 31cm größer als ich und musste sich oft mit seinem Kopf zu mir hinunter beugen, um mich zu verstehen.

Dann kam eine Blondine vorbei, groß, schlank, beeindruckende Oberweite und ein hübsches Gesicht. Ganz offenbar fand er sie süß und offenbarte es mir direkt. "Dann sprich sie doch an!" - "Nein, sowas kann ich nicht. Ich kann keine hübschen Frauen ansprechen." Okay, wow. Danke für den Seitenhieb. Also war er doch nur freundlich - aber umso besser. Vielleicht würden wir ja doch Freunde werden. Ich sprach die Blondine für ihn an und gab ihr seine Handynummer. Dann war seine Schicht zu Ende und wir verließen das Hallenbad gemeinsam. Mein Auto stand ein paar Meter weiter weg auf einem anderen Parkplatz und er bot mir an mich zu meinem Auto zu fahren. In seinem Auto roch es so gut nach explodiertem Obstkorb, was wohl an seinem Duftbäumchen lag. Er schenkte mir das zweite aus der gleichen Packung. "Krieg ich eigentlich auch deine Handynummer?" - "Klar, aber was sagt dein Freund dazu?" Mein Freund sagt dazu gar nichts, schließlich habe ich nur männliche Freunde... Er tippte seine Nummer in mein Handy und wir verabschiedeten uns mit den Worten, dass wir uns ja in zwei Tagen am Dienstag schon wieder sehen würden.


Mittwoch, 27. Juni 18

Ich kann mich nicht wirklich erinnern, wann ich das letzte Mal zufrieden mit meinem Körper war. Ich kann mich auch nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal im Schwimmbad wohl gefühlt habe. Einige Jahre war ich überhaupt nicht dort, aber seit ein paar Wochen habe ich mir angewöhnt zweimal pro Woche jeweils mindestens einen Kilometer zu schwimmen. Anfangs ging ich noch ins Freibad, doch mittlerweile gewöhnte ich mich an das daneben angrenzende Hallenbad, in dem wesentlich weniger Besucher waren. heute war ich das dritte Mal im Innenbereich und das Becken war so leer wie nie, vermutlich weil aufgrund des Deutschland-WM-Spiels jeder vor dem Fernseher saß.

"Jede Woche zur gleichen Zeit?", hörte ich eine männliche Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah einen Bademeister in meinem Alter in der Ecke des Raumes sitzen. Verwirrt sah ich auf die Uhr, denn es war weder der gleiche Tag, noch die gleiche Zeit wie bei meinem letzten Besuch. Ich fragte ihn, welche Bahnen für Freizeitschwimmer frei waren, doch scheinbar stand nur die 23m-Strecke zur Verfügung.

"Vorhin war ich mal ganz alleine in diesem Raum. Ich bin so froh über jeden, der in dieses Becken kommt!" Scheinbar war ihm langweilig. Als ich schwamm, spazierte er neben mir am Beckenrand entlang und unterhielt sich mit mir. Er bat mir an meine Bahnen zu zählen und wir redeten über Studium und Beruf, Tattoos, Freunde... Er war sehr groß, hatte blonde Haare, die an den Seiten kürzer waren, als oben und trug eine Baseball-Cappi verkehrt herum. Er war sehr sportlich, aber nicht zu muskulös und hatte einen Stoppelbart. Insgesamt wirkte er wie einer von den coolen Typen, die mich sonst nicht mal mit der linken Pobacke ansehen würden. Sowas ist mir noch nie passiert. Noch nie hat mich einfach ein Typ angesprochen und dann auch noch so lange mit mir gesprochen und das alles freiwillig.

"Lächel doch mal mehr, das würde auch mir den Tag verschönern." Flirtete er mit mir oder war er nur freundlich? Sind Bademeister vielleicht immer so? Sie sehen den ganzen Tag Mädels im Bikini und werfen sicher mit Komplimenten nur so um sich. "Ich finde deine Haarfarbe steht dir gut!" Alles klar, er war nur freundlich.
Als ich meine letzte Bahn begann, ging er am Beckenrand in die Hocke und zeigt mir seine Uhr. "Wenn du diese Bahn in unter 30 Sekunden schaffst, lade ich dich auf einen Kaffee ein!" Noch nie hat mich jemand einfach eingeladen!
"Ich trinke keinen Kaffee." - "Dann eben etwas, was du gerne trinkst!" - "Eigentlich möchte ich nichts trinken." Er sah geknickt aus und als ich mit meiner Bahn fertig war und aus dem Pool steigen wollte, stand er direkt vor der Leiter. Ich kam kaum aus dem Pool und quetschte mich an ihm vorbei. Er sah nur in die Ferne und ich erklärte ihm, dass ich keine Zeit hatte, da ich schon etwas vor hatte. Ich war mit Mitstudenten verabredet um Bonuspunkte für eine Klausur gemeinsam online zu sammeln. Wir plauderten noch eine Weile und er meinte: "Wir können ja irgendwann mal einen Xbox-Abend machen!" - "Dafür bin ich, glaube ich, zu schlecht." - "Wir müssen ja nicht gegeneinander spielen. Wann kommst du denn wieder?" - "Am Wochenende, ich weiß aber noch nicht, wann ich es schaffe." - "Dann komm doch am Sonntag, da bin ich auch wieder da."